Dass sich Social Media Affine und Social Media Nicht Affine gut verstehen, hat vor ein paar Wochen ein gemeinsamer Ausflug ins Tessin bewiesen. So passiert mit Delia, Iryna, Anna, Jana und meiner Wenigkeit.
Die Reise startet von verschiedenen Ausgangspunkten, da wir Mädels an verschiedenen Orten wohnen und somit unterschiedlich in den Zug zusteigen. Es ist unmöglich, dass wir alle einen Platz in einem Abteil finden. Also bleiben wir dort sitzen, wo wir eingestiegen sind und treffen uns alle beim Umsteigen in Bellinzona.
Robiei und die Sicht auf den beeindruckendsten Gletscher im Tessin (Basodino – Gletscher) ist unser Ziel für dieses Wochenende. Bepackt mit einem grossen Rucksack, unseren Zelten und sonstigen Wander- und Übernachtungsutensilien nehmen wir unsere Reise weiter auf mit dem Zug nach Locarno. Die mediterrane Luft des Südens der Schweiz umgarnt unsere Nase und erhöht unsere Vorfreude. Wir steigen in den Bus nach Bignasco, der uns wenig später auslädt, damit wir die Verbindung nach San Carlo (im Bavonatal) erreichen.
Ab in die Lüfte
In San Carlo lassen wir jegliche Transportmittel auf Rädern hinter uns und steigen in die Seilbahn nach Robiei. Die Seilbahnanlage sieht etwas veraltet aus. Wie sich herausstellt, wurde sie in den Sechzigerjahren von den Officine Idroelettriche della Maggia (Ofima) realisiert. Das Elektrizitätswerk, die Ofima, hat vor mehr als 50 Jahren die Staudämme in der alpinen Gegend gebaut. Diese sammeln das Wasser, welches für die Stromproduktion der Region nötig ist.
Nun, wir sind mutig, steigen in die Kabine und lassen und hoch fahren. Unter uns liegen saftige Hügel, weidende Kühe und kleine Dörfer aus Steinhäusern, wie sie typisch sind für diese Region. Rund 4 km lang ist die Strecke nach oben, bis wir in Robiei aussteigen.
Fahrplan der Seilbahn San Carlo – Robiei
Funivia San Carlo-Robiei |
Luftseilbahn |
||||
Orario/Fahrplan |
17.06-08.10.2017 |
||||
San Carlo | 08.00 | 09.00c | 10.00 | 11.00c | 12.00 |
Partenza/Abfahrt | 14.00 | 15.00 | 15.45c | 16.25!! | 17.00c |
Robiei | 08.30c | 09.30 | 10.30c | 11.30 | 13.30 |
Partenza/Abfahrt | 14.30 | 15.20c | 16.05!! | 16.45c | 17.20* |
!! Solo nei mesi di luglio e agosto / Nur in den Monaten Juli und August | |||||
* Solo sabato, domenica e giorni festivi / Nur Samstag, Sonntag und Festtage | |||||
c Coincidenza con autopostale / Anschluss an Postauto |
The women who stare at goats
Irgendwo beim Lago Bianco wollen wir heute Abend übernachten, sodass wir den Sonnenaufgang am nächsten Tag so schön wie möglich einfangen können. Kaum machen wir uns auf den Weg, kommt uns eine Herde hübsche Ziegen hinterhergelaufen. Aus dem Nichts! Und weil wir alle so entzückt von den Tieren sind und die Tiere uns unüberhörbare ‚Streichel-mich!‘ Aufforderungen zurufen, machen wir einen Moment Pause und widmen uns ganz der Tierliebe.
Mittlerweile ist es schon etwas später und wir wissen, dass wir bald zu Abend essen wollen, damit wir noch etwas vom Tageslicht profitieren können. Der Wind pfeift uns um die Ohren. Diese Nacht könnte gnadenlos kalt werden. Wir machen uns also auf und suchen ein Plätzchen, wo wir windgeschützt sind. Am Lago Bianco ist dies jedoch keineswegs der Fall. Anna und Jana, die beiden Non-Social-Media-Women, sind die guten und fürsorglichen Seelen von unserer Girls-Truppe und haben im Nu einen perfekten Ort zum Übernachten gefunden.
Zwei Steinhütten stehen kräftig und robust auf einem kleinen Hang und laden uns förmlich ein, unsere Zelte hinter ihren windgeschützen Mauern aufzustellen. Gesehen. Gemacht. Für die Nacht sind wir bestens versorgt und freuen uns jetzt auf ein gemeinsames Abendessen.
Es dunkelt langsam ein und wir Frauen schmieden unsere Wanderpläne für den kommenden Tag. Zum Sonnenaufgang wollen wir eine gewisse Höhe erreicht haben, damit wir den schönen Moment mit unseren Kameras einfangen können. Also stellen wir unsere Wecker auf 04:00 Uhr und sagen uns ‚Gute Nacht‘.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
Pünktlich um 04:00 Uhr reissen uns ohrenbetäubende Laute aus dem Schlaf. Wir erinnern uns, dass wir den heutigen Tag früh beginnen wollen. Also ziehen wir uns an und machen uns alle, bepackt mit einer Stirnlampe auf dem Kopf und dem nötigsten im Rucksack, auf den Weg in Richtung Lago Nero.
Wir starten von ca. 1’940 m ü.M (Lago Robiei) und wandern den weiss-rot-weissen Wanderzeichen entlang. Die Steigung ist immerwährend und anspruchsvoll. Unsere Stirnlampen helfen uns, den Weg über die grossen Steine zu bewältigen. Der Himmel, der sein dunkles Nachtgewand trägt, fängt allmählich an sich zu entkleiden. Die Dämmerung tritt ein und wir können zum ersten Mal erkennen, wie mächtig das alpine Gebiet hier oben ist. Etliche Staudämme in stechendem türkis-blau schmücken die grüne Berglandschaft. Wir sind überwältigt von so viel Naturschönheit und sind uns einig, dass sich das frühe Aufstehen gelohnt hat.
Käffchen gefällig?
Zwei Stunden sind wir nun schon am Wandern. Die Höhe und die Strecke, die wir hinter uns gelassen haben, spüren wir in den Beinen. Wir nehmen es jedoch sportlich, denn jede von uns ist eine geübte Outdoor Enthusiastin. Und Anna ist eine geübte Kaffeetrinkerin und geht deswegen niemals ohne ihren Campinggaskocher mit der dazugehörenden Espressokanne auf Wanderreise. Das kommt uns allen zu Gute, denn wir sind allesamt diplomierte Kaffeetrinkerinnen. Also entscheiden wir uns eine Pause einzulegen, Kaffee zu kochen, kleine Knabbereien zu uns zu nehmen und die Aussicht zu geniessen.
Starke Aussichten
Gestärkt nehmen wir unseren Marsch zum Lago Nero weiter auf. Die Wanderstrecke ist mit den weiss-rot-weissen Bemalungen am Gestein gut gekennzeichnet, jedoch ziemlich anspruchsvoll, da wir einige Steigungen in Angriff nehmen müssen. Teilweise sind die Trails sehr schmal und steil, das bringt uns aber von unserer Motivation nicht ab. Das 180 Grad Panorama ist so atemberaubend, dass wir Zeit und Raum vergessen.
Der Basodino – Gletscher
Mit einer Fläche von 2 km2 ist der Basòdino-Gletscher der weitläufigste Gletscher des Tessins. Die untere Grenze liegt aktuell auf ca. 2500 m, während sich die obere Grenze auf ca. 3120 m ansiedelt und dabei den gleichnamigen Gipfel von stattlichen 3273 m frei lässt. Der Gletscher liegt am Ende des Bavonatals und ist dank des bequemen Anschlusses der Bergbahn S. Carlo – Robiei im Sommer auch sehr einfach zu bewundern.
Der Basòdino ist ein milder (konstante Temperatur um 0°C mit Wasservorkommen) Berggletscher mit einem nicht sehr weitläufigen Akkumulationsgebiet und ohne Gletscherzunge. Der Gletscher ist nicht sonderlich steil und weist viele Spalten auf, jedoch keine Séracs. Die durchschnittliche Eis-Dicke beträgt im oberen Teil ungefähr 40 m, im mittleren Teil 27 m und auf den Seiten 15 m.
In den letzten 150 Jahren hat sich der Gletscher um ca. 1‘400 m zurückgezogen. Der Vergleich mit Fotos aus jener Zeit ist sehr beeindruckend. 2008 hat sich der Gletscher aufgrund eines starken Rückgangs in zwei Teile getrennt: einerseits der “Basòdino-Gletscher” (südlicher Teil) und andererseits der “Cavergno-Gletscher” (nördlicher Teil). Auch ohne zusätzliche Erwärmung werden die Gletscher-Oberfläche und sein Volumen für eine gewisse Anzahl Jahre weiterhin ausgeprägt schrumpfen. Der Gletscher wird dadurch einen mehr und mehr zerstückelten Anschein annehmen. Nach dem Jahre 2030 könnten nur noch wenige Eis-Reste nahe der höher gelegenen Kämme verbleiben.
Quelle: Ticino Switzerland
2’387 m ü. M
Während Anna und Jana schon längt am Lago Nero (2’387 m ü.M.) angekommen sind, lässt sich der restliche Teil der Gruppe, inklusive mir, noch etwas Zeit. Nicht etwa, weil wir ausser Kondition sind, sondern weil wir den fotografischen Aspekt in uns tragen und natürlich keinesfalls einen Moment des Naturspektakels verpassen wollen. Jede Perspektive hat seine Eigenheit, jede vorbeiziehende Wolke wirft wieder eine andere Stimmung aufs Bild. Ich bin mir sicher, dass sich alle Landschaftsfotografen angesprochen fühlen und verstehen, von was ich schreibe. Bitte verzeiht, wenn ich hier kein Bild vom Lago Nero zeige. Zum Anschauen ist er meiner Meinung nach nicht sehr spektakulär, der Weg jedoch dorthin legendär!
5 Frauen auf dem Abstieg
Nach dieser bisher wirklich inspirierenden Wanderung, geht es nun rückwärts Richtung Lago Bianco, von welchem wir unsere Reise zurück zu unseren hinterlassenen Sachen machen. Das Panorama der wilden Naturlandschaft mit den unzähligen Seen und Stauseen begleitet uns noch eine ganze Weile auf unserem Abstieg. Wir geniessen es sehr und kommen erfüllt an den Punkt, von welchem unser Tag begonnen hat.
Schlusswort
Wandern verbindet. Es ist sehr schön zu sehen, dass immer mehr Leute naturbegeistert sind. Es gibt so viele schöne Flecken Erde auf dieser Welt, die zu entdecken sind. Dieser Flecken im Tessin auf unserem Girls-Weekend-Trip ist nur einer von vielen. Ich freue mich, weiterhin die Möglichkeit zu haben, Neues zu erkunden. Kommst du mit?